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Tennis-Club SCC | News

Der SCC-Flüchtlings Shuttle ist zurück

2022 ukraine 19 Frauen, 8 Kinder, 7 Babies, 2 Katzen, ein Hund, ein Meerschweinchen und ein Mann...

Als vor ein paar Wochen der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausbrach war ich -wie die gesamte restliche Welt- geschockt und fassungslos.

Von Tag zu Tag steigerten sich die Flüchtlingszahlen und ich fragte mich, was ICH tun könnte um zu helfen. Nach kurzem Grübeln verfiel ich schließlich auf die Idee, bei meinem Sportverein SCC anzufragen, ob man mir nicht für ein paar Tage einen der vereinsinternen Minivans zur Verfügung stellen könnte. Damit würde ich geflüchtete Frauen und Kinder von der ukrainischen Grenze abholen, nach Berlin bringen und bei uns zuhause und bei Freunden und Bekannten unterbringen.

Man stellte mir einen 9-Sitzer von Montag früh (14.3) bis Freitag früh (18.3.) zur Verfügung. Das Wochenende zuvor klapperte ich die gesamte Stadt ab, um bei Freunden, Bekannten und Hilfsorganisationen Hilfsgüter in den Minivan zu verladen, damit auch die Hinfahrt sinnvoll genutzt würde. Vor Aufregung schlief ich die letzte Nacht nur schlecht und konnte es kaum erwarten, im Morgengrauen endlich loszufahren.

Der Plan stand fest: die erste Etappe bis nach Warschau, dort übernachten, und am nächsten Tag weiter bis zur ukrainischen Grenze. Doch es kam anders. Nachdem ich in Warschau am frühen Nachmittag eingetroffen war und im Hotel eingecheckt hatte machte ich mich zu Fuß auf den Weg zum Hauptbahnhof, um mir einen Überblick über die Lage dort zu verschaffen.

Es herrschte das pure Chaos. Viele Hunderte Geflüchtete irrten orientierungslos durch die Gegend oder verharrten einfach nur erschöpft und apathisch mit ihrem Hab und Gut auf den wenigen verbliebenen Sitzplätzen. Manche wurden flankiert von polnischen Volunteers, die mit ihren gelb-leuchtenden Warnwesten gut zu erkennen waren.

Es gab diverse Informationsstände: Für Übernachtungen, Weiterfahrten, medizinische Versorgung und jede Menge Essen, heiße Suppen und Getränke, kostenlose Sim-Karten sowie psychologische Betreuung, Seelsorger und freiwillige Übersetzer. Sehr bewegend war einer meiner ersten Eindrücke vor der Haupthalle, als sich ein kleines Grüppchen von Frauen, Großmüttern und Kindern vor Freude und Trauer schluchzend in die Arme fielen. Ganz offenkundig hatten sie sich erst in in eben jenem Moment wieder gefunden, nachdem sie zuvor getrennt geflüchtet waren.

2022 ukraine 1Auch für mich war es schwierig, in dem Getümmel den Überblick zu behalten, doch eines war mir sofort klar: Ein Weiterfahren bis zur ukrainischen Grenze war im Grunde überflüssig, denn hier gab es mehr als genügend verzweifelte Geflüchtete, denen ich unmittelbar helfen konnte. Ich kämpfte mich vor an den Info-Stand “Transportation”, wo ich direkt in die Arme eines umtriebigen polnischen Volunteers lief. Renek, etwa 40 Jahre alt, klein und kräftig, war gerade dabei, etwa sieben Sachen gleichzeitig zu erledigen, hörte sich aber dennoch aufmerksam mein Angebot an: 8 Plätze nach Berlin, kostenlos, außerdem Hilfe bei der Unterbringung in Berlin und Umgebung in privaten Unterkünften.

Es dauerte keine zwei Minuten bevor ich ebenfalls eine gelbe Volunteers-Weste übergestreift bekam und Renek mich ungefragt zu meiner ersten Freiwilligen-Schicht einteilte. Ich solle einfach überall mithelfen, selber schauen, mitanpacken, aufmerksam sein. Er versicherte mir, die 8 Mitfahrer*innen würde ich mit Sicherheit ganz nebenbei von alleine finden. Ich wunderte mich über die übermenschliche Energie und Tatkraft, die er verströmte, bis er mir erklärte, dies sei bereits seine zweite Schicht hintereinander und er habe mittlerweile 12 Kaffee getrunken.

Fast zeitgleich mit mir trafen John, 61 Jahre, aus England, und Janusz, 27, aus Polen, am Hauptbahnhof ein, um ebenfalls zu helfen. John war bereits seit 3 Tagen mit seinem privaten PKW aus England unterwegs, mit dem Ziel, hier in Warschau eine Woche lang als Volunteer zu arbeiten und dann auf der Rückfahrt eine ukrainische Familie mit nach England zu bringen und diese bei sich zuhause zu beherbergen. Auch John und Janusz erhielten ihre gelben Helfer-Westen nach erfolgter Registrierung in kürzester Zeit, gemeinsam deckten wir mit Polnisch, Englisch , Deutsch und ein wenig Russisch und Ukrainisch die wichtigsten Sprachen ab und waren in den nächsten Stunden ein gutes Team. Alle paar Sekunden tauchte erneut eine erschöpfte Mutter mit Kind oder Baby vor uns auf und fragte nach Möglichkeiten zur Weiterfahrt, Unterkunft oder medizinischen Versorgung.

Wie Renek mir versichert hatte, fanden sich auch in kürzester Zeit meine 8 Mitfahrer*innen und ich bat alle darum, am nächsten Morgen pünktlich um 9h an der vereinbarten Stelle hier am Hauptbahnhof zu sein, dann sollte es losgehen nach Berlin. Nach einer erneut kurzen Nacht erschien am nächsten Morgen jedoch nur gut die Hälfte, der Rest hatte sich offenbar kurzerhand entschlossen, doch mit einem der restlos überfüllten Züge weiterzureisen.

Doch Ersatz war schnell gefunden, und nach weiteren kleinen Verzögerungen ging es am späten Vormittag tatsächlich los Richtung Berlin. Meine Mitfahrer*innen im einzelnen waren: Oxana, 31 Jahre aus Kiew, mit ihrem kleinen Sohn Roman (4 J.), Frau Kaiser, 56 Jahre , ebenfalls aus Kiew, die vor wenigen Jahren eine kurze erfolglose Ehe mit einem Herrn Kaiser in Deutschland geführt hatte, welche noch immer nicht geschieden war und der sie ihren aktuellen Nachnamen und einfache Deutschkenntnisse verdankte.

Ludmilla, eine 75-jährige Großmutter aus Charkow, deren Wohnhaus bombardiert worden war, die ihr ganzes Leben lang dort gewohnt hatte und alles zurück lassen musste. Ludmilla hatte grosse Schmerzen beim Gehen, mit ihrem rechten Knie war irgendetwas nicht in Ordnung und eine 10- stündige Bahnfahrt, wahrscheinlich ohne Sitzplatz, hätte sie wohl kaum überstanden. Die letzten 4 Mitfahrer bestanden aus einer vierköpfigen Familie, wobei der ca. 40-jährige Familienvater bei allen Fahrten, die in den nächsten Tagen noch dazukommen würden, die einzige männliche Person bleiben sollte. Das hatte einen simplen Grund: Er ist libanesischer Staatsbürger und konnte somit im Gegensatz zu allen anderen Ukrainern im wehrfähigen Alter das Land verlassen. Als junger Mann hatte er zwei Semester Medizin in der Ukraine studiert, sich in Land und Leute und vor allem in Katja verliebt, mittlerweile hatten sie einen Sohn und eine Tochter im Alter von 5 und 7 Jahren. Vor knapp 2 Jahren hatten sie aufgrund der desaströsen Lebensbedingungen den Libanon verlassen und hatten begonnen, sich in der Heimat von Katja ein neues Leben aufzubauen, in Dnepropetrovsk, im Osten der Ukraine. Nach Ausbruch des Krieges hatten sie sich mit wenigen Taschen und Koffern auf den Weg nach Westen gemacht, doch ihre Flucht verlief alles andere als geradlinig: zunächst mussten sie jeweils zwei 12-stündige Fahrten im völlig überfüllten Kleinbus auf dem Weg nach Lwiw überstehen. Normalerweise wären die Kleinbusse mit insgesamt 8 Personen bereits voll beladen gewesen, transportiert wurden jedoch in dem einen Kleinbus 13 Personen , in dem anderen 14.

Dabei saßen sie quasi aufeinander und konnten sich während der langen Fahrten so gut wie nicht bewegen. Die Fahrer verlangten astronomische Preise und begründeten dies mit einem “Gefahrenzuschlag”.

Bei einer Reifenpanne mitten in der Nacht näherte sich in der Dunkelheit ein Armeefahrzeug, und alle Insassen waren in Panik geraten, als dieses stoppte. Es war jedoch ein ukrainisches Armeefahrzeug und die Soldaten hielten nur kurz an, um beim Reifen wechseln zu helfen und fuhren dann mit quietschenden Reifen schnell davon.

Von Lwiw aus waren sie dann in einem komplett überfüllten Zug nach Warschau gelangt, erneut waren sie die gesamte Nacht unterwegs, ohne Sitzplatz. Auch die Fluchtgeschichten von den anderen Mitfahrer*innen waren nicht viel besser. Kaum vorstellbar waren für mich die Strapazen der 75-jährigen Ludmilla, die berichtete, sie sei insgesamt über 30 Stunden mit Zügen nur von Charkov bis nach Lwiw unterwegs gewesen. Die Zugfahrten hätten deshalb solange gedauert, weil die Züge völlig überladen waren, ständig Umwege gemacht hätten, um russische Truppen weiträumig zu umfahren und teilweise seien die Züge in der Nacht ohne Licht in langsamer Geschwindigkeit geradezu geschlichen, um nicht bemerkt zu werden.

Ludmilla berichtete außerdem von ihrer noch ein paar Jahre älteren Nachbarin, die sich die Strapazen einer Flucht nicht zugetraut hatte und zuhause in Charkov geblieben war. Sie wollte sich um die Wohnungen und zurückgebliebenen Haustiere der Nachbarn kümmern. Die Nachbarin wurde jedoch bei einer Explosion von umherfliegenden Glassplittern getroffen und liegt seither im Krankenhaus.

Nach einigen kleineren Staus erreichen wir am späten Nachmittag Berlin. Frau Kaiser fährt mit der Bahn weiter nach Hannover, wo sie von Bekannten erwartet wird. Ludmilla fährt mit der Bahn weiter nach Leipzig, dort wohnt eine entfernte Verwandte. Oxana fährt mit ihrem kleinen Sohn mit der Bahn weiter nach Chemnitz, wo sie ebenfalls bereits erwartet wird.

Alle verabschieden sich zuvor mit Dankestränen in den Augen bei mir und auch ich kann die Tränen nicht zurück halten und wünsche allen gute Weiterfahrt und alles Gute. Die vierköpfige Familie bringe ich zu mir nach Hause, die Wohnung ist bereits vorbereitet für die Ankunft von 4 Personen.

2022 scc goes ukraineNach einem gemeinsamen Abendessen fallen wir alle erschöpft ins Bett, zum ersten Mal nach Tagen werden die vier in Ruhe eine Nacht lang schlafen können. Nach einem ausgedehnten Frühstück am nächsten Morgen erkläre ich meinen neuen Mitbewohnern, dass ich den Minivan nur noch zwei Tage zur Verfügung habe und daher sofort wieder zurück nach Polen fahren werde, um hoffentlich erneut 8 Geflüchteten helfen zu können. Mein Freund und Nachbar Marc übernimmt, zeigt meiner Flüchtlingsfamilie die Umgebung und den nächsten Spielplatz und ich bin derweil bereits wieder auf der Autobahn, diesmal auf dem Weg nach Posen. Ein polnischer Volunteer hatte mir den Tipp gegeben, dass ich nur bis dorthin fahren bräuchte, es sei nicht so chaotisch wie in Warschau, aber auch in Posen am Hauptbahnhof stranden viele ukrainische Familien, Frauen und Kinder.

Glücklich darüber, nur etwa die Hälfte der Strecke (statt Warschau) fahren zu müssen treffe ich mittags am Hauptbahnhof in Posen ein. Auch hier ein ähnliches Bild, allerdings eher eine Miniatur-Ausgabe des kaum vorstellbaren Chaos vom Warschauer Hauptbahnhof. Ich halte mein selbst geschriebenes Schild in die Höhe: 8 Plätze nach Berlin, kostenlos, Hilfe bei der Unterkunft.

Sofort bin ich von einer Traube von Geflüchten Frauen, Kindern und Großmüttern umringt, die alle unentwegt auf Russisch oder Ukrainisch auf mich einreden. Plötzlich weichen einige wieder ängstlich zurück und ein dazueilender Polizist erklärt mir den Grund: es wird gemunkelt, dass unter den angeblichen Helfern auch Männer mit bösen Absichten seien und ich sei soeben auch unter diesen Verdacht gefallen.

Ich gebe ihm meinen Personalausweis, welchen er mit sich nimmt, und nach einigen Minuten erhalte ich diesen wieder, erneut bin ich unkompliziert als Helfer registriert und erhalte eine gelbleuchtende Weste. Nun haben auf einmal alle wieder Vertrauen in mich und ich werde erneut umringt. Mit Hilfe eines polnischen Übersetzers gelingt die Kommunikation, und ich habe in Windeseile das Auto voll mit 8 Frauen, Kindern, Babies und einem Meerschweinchen, Sascha. Sascha hockt verängstigt in seinem kleinen Transportkäfig und rührt selbst die frischen polnischen Karotten und Gurken nicht an, die in seinem Korb liegen. Wer jemals ein Meerschweinchen hatte weiß, dass diese Tiere eigentlich nie zu mümmeln aufhören, aber auch bei allen anderen Haustieren, die die Geflüchteten mit sich führen, ähnelt sich das Bild. Fast alle Katzen fressen nicht, vor Stress und Aufregung. Bei den Hunden ist es etwas besser, aber auch diese fressen selbst nach Tagen auf der Flucht kaum etwas, so verstört sind sie.

Alle 8 haben insgesamt nur sehr wenig Gepäck bei sich, das Einsteigen und Verstauen des Gepäck dauert nur wenige Minuten und es geht wieder zurück nach Berlin. Auf dem Beifahrersitz hat auf meinen Wunsch hin Valentina aus Mariupol Platz genommen, sie ist Geschichtsstudentin und spricht ganz passabel Englisch.

Gemeinsam mit ihrer Großmutter ist ihr in den Anfangstagen der Belagerung Mariupols die Flucht gelungen und ihr Augenzeugen-Bericht und die Fotos, welche sie mir zeigt sind kaum zu ertragen. Sie hat zu niemandem mehr in Mariupol telefonisch Kontakt, viele ihrer Freunde und Verwandten sind in der Stadt mittlerweile eingeschlossen, ohne Strom und mit schrumpfenden Vorräten an Wasser und Lebensmitteln. Valentina erzählt ihre Fluchtgeschichte sehr gefasst und ich kann es mir nur so erklären dass sie jetzt für ihre gesundheitlich angeschlagene und in Abständen wimmernde Großmutter stark sein muss.

Das Ausmaß der Zerstörung, welches auf ihren Fotos zu sehen ist, sowie die Gesichter der weinenden und schluchzenden Menschen sind kaum auszuhalten und ich versuche mich auf das Fahren zu konzentrieren. Der Rest der Mitfahrerinnen ist einfach nur völlig übermüdet und erschöpft, keiner spricht, manche schlafen und ich bilde mir ein, lediglich hin und wieder ein leises Rascheln und Mümmeln zu hören, das muss wohl Sascha sein.

Erneut erreichen wir am Nachmittag Berlin und überraschenderweise fahren alle mit verschiedenen Zügen zu unterschiedlichen Zielen weiter. Von Valentina erfahre ich am nächsten Tag per Whatsapp, dass in Berlin am Abend ihre Großmutter noch medizinisch notversorgt wurde, dass sie aber am nächsten Tag mit der Bahn nach Dortmund weitergereist sind.

Ich fahre zu mir nach Hause, wo ich von meiner 4-köpfigen Flüchtlingsfamilie mit einem riesigen Topf Borschtsch erwartet werde. Die beiden Kinder haben sich bereits gut eingelebt und tollen in der großen Altbauwohnung den langen Flur rauf und runter. Am nächsten Morgen fühle ich mich von den Ereignissen der letzten 4 Tage selber erschöpft und müde, aber es hilft nichts: Es ist Donnerstag, der letzte Tag, an dem ich den 9-Sitzer noch zur Verfügung habe.

Ich fahre daher kurzentschlossen erneut zum Hauptbahnhof nach Posen, diesmal verpasse ich nach dem Schönefelder Kreuz leider eine wichtige Ausfahrt in Richtung Frankfurt Oder und merke es zunächst nicht. Erst als auf einmal Hellersdorf Marzahn ausgeschildert ist bemerke ich meinen Fehler und drehe genervt und frustriert wieder um. Mittags erreiche ich erneut den Hauptbahnhof in Posen.

Die Situation ist ähnlich wie am Tag zuvor, allerdings ist das Getümmel etwas größer geworden. Die Volunteers erkennen mich sofort und begrüßen mich herzlich. Mir wird Kaffee angeboten und leckere Backwaren aller Art. Und auch die gelb leuchtende Weste wird mir natürlich sofort wieder übergestreift. Auch diesmal geht alles ganz schnell: Nach wenigen Minuten Platz genommen bei mir im Auto haben Anna, 26 Jahre, aus Kiew, zusammen mit ihrem 6-jährigen Sohn Joscha und ihrem 8-monatigem Baby Sascha (bei dem Namen muss ich natürlich sofort wieder an das Meerschweinchen vom Vortag denken).

Außerdem: Kseniia, ca. Mitte 30, aus Kiew, zusammen mit ihrem Sohn Roman (1,5 Jahre) und ihrer Mutter Nina, welche auf der Flucht eine Verletzung an der Schulter erlitten hat. Nina war im ersten Moment am Hauptbahnhof noch etwas ängstlich gewesen und bestand darauf meinen Personalausweis sehen zu dürfen, um davon zur Sicherheit ein Foto zu machen. Ich gab ihn ihr und sie schaute mich plötzlich mit riesigen Augen an, die sich sogleich mit Tränen füllten. Ich verstand nicht was los ist, bis sie mir mit zittrigen Händen ihren Ausweis zeigte. Wir haben denselben Nachnamen: Korsch. Und dieser Nachname ist weder in Deutschland noch in der Ukraine besonders häufig. Ich muss gestehen, dass mir in diesem Moment ein kleiner Schauer über den Rücken lief, so surreal und unwahrscheinlich erschien mir dieser Zufall. Wir umarmten uns herzlich und sie berichtete ihrer Mutter aufgeregt davon, was wir beide gerade herausgefunden hatten.

Die letzten Mitfahrerinnen waren : Anastasia, 23, aus Kiew, ihre Mutter Olena, 64, und deren Nachbarin Alexandra. Anastasia hatte eine kleine niedliche Terrier-Hündin namens Luna bei sich, die sie bei einem Griechenland Urlaub aus einer Mülltonne gerettet hatte und die mittlerweile das einzige Familienmitglied mit EU-Ausweis war. Außerdem hatten die drei noch zwei Rassekatzen bei sich , die verängstigt in ihren Transportkörben hockten.

Die Fahrt verlief ruhig und gesprochen wurde nur wenig. Alle waren einfach nur froh, sich bereits während der Fahrt auf einem Sitzplatz erholen zu können. Anastasia sprach gut Englisch und ab und zu stellte ich vorsichtig einige Fragen, da mich die einzelnen Schicksale interessierten. Die Antworten und Geschichten ähnelten stark all jenen, die ich in den Tagen zuvor bereits gehört hatte und ich merkte dass alle traumatisiert waren und ich besser nicht weiter nachbohrte. Am Nachmittag trafen wir in Berlin am Bahnhof Südkreuz ein.

Anastasia, ihre Mutter und deren Nachbarin sowie die beiden Katzen und die Terrierhündin Luna fuhren sofort weiter mit der Bahn nach Bayern, wo sie von Bekannten erwartet wurden. Anna, die junge Mutter mit Sohn und Baby, fuhr ebenfalls sofort weiter, sie wurde am Hauptbahnhof in Dessau von einem Freund erwartet. Kseniia Korsch, ihre Mutter Nina und der kleine Sohn Roman konnten in der Privatwohnung einer Freundin in Berlin Schöneberg untergebracht werden. Nina wurde mittlerweile medizinisch an der Schulter behandelt und es geht ihr gut.

Meine libanesische Gastfamilie ist nach 4 Tagen in meiner Wohnung zu einem entfernten Verwandten nach Hamburg weitergezogen und fliegt mithilfe finanzieller Unterstützung der libanesischen Botschaft in wenigen Tagen von dort nach Beirut, wo sie sich zuhause fühlen und nahe Verwandte haben. Wir werden mit Sicherheit in Kontakt bleiben.

Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass meine Hilfsaktion nur ein Tropfen auf den heißen Stein war und dass es Millionen von Flüchtlingen gibt, denen nun geholfen werden muss. Dennoch fühlt es sich gut an und ich bin froh dass ich ein paar wenigen selber und aktiv helfen konnte.

Mein Dank gilt dem Sportverein SCC für die Bereitstellung des Transporters sowie den vielen privaten Spendern, die diese Hilfsaktion finanziell spontan unterstützt haben. Es sind mehrere Tausend überschüssige Euro an Spenden übrig geblieben, die an weitere Hilfsprojekte gespendet werden.

Kleine Anmerkung vom SCC: Übrigens spielen schon die ersten Ukrainer*innen im SCC Tennis. Auch hier versuchen wir, in ganz kleiner Form von den alles überlagernden Ereignissen in der Ukarine zumindest ein paar Stunden abzulenken. Vielen Dank, lieber Ronny für Dein Engagement. 

 

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